Könnte eine Strommarktliberalisierung unsere Stromprobleme lösen?

Im sehr gut besetzten Rathaussaal referierten drei Experten letzten Donnerstag zu den Auswirkungen einer Marktöffnung, mögliche neue Angebote sowie den Herausforderungen für Versorger und Regulatoren. Im Anschluss fand eine Podiumsdiskussion mit den Referenten, mit Regierungspräsident Walter Schönholzer und dem Publikum statt. Der von der FDP organisierte Anlass wurde moderiert von Kantonsrätin Martina Pfiffner Müller.

In der EU ist der Strommarkt bereits liberalisiert

Dr. Jörg Spicker von Swissgrid beleuchtete die Hintergründe und die grundlegenden Folgen einer Marktöffnung. Aufgrund der geografischen Lage ist die Schweiz über 41 Leitungen mit Europa verbunden und unsere Netzstabilität hängt seit je stark von der Integration in den europäischen Strommarkt ab.  Diese Integration kann nur vollständig durch ein Strommarktabkommen mit der EU gesichert werden, wobei aus Sicht der EU eine schrittweise Liberalisierung des Strombinnenmarktes Voraussetzung für die Teilnahme der Schweiz in den europäischen Regulierungs- und Steuerungsgremien ist.  Spicker erklärte anschaulich, wie die unvollständige Integration der Schweiz in den europäischen Strommarkt bereits heute die Versorgungssicherheit gefährdet. Gleichzeitig betonte er, dass auch im liberalisierten Markt weiterhin fixe Grundversorgungstarife möglich sind, jedoch zusätzliche Wahlmöglichkeiten für Kunden dazukommen.

Neue Angebote und Preisgestaltungsmöglichkeiten

Dr. Martin Koller von der Axpo Group zeigte neue Möglichkeiten, aber auch Herausforderungen durch die Marktöffnung auf. Innovative Angebote könnten stärker auf individuelle Bedürfnisse einzelner Konsumentensegmente zugeschnitten werden. Dynamische Preismodelle würden es den Versorgern ermöglichen, effizienter auf die Nachfrage zu reagieren und damit auch Netzausbaukosten reduzieren. Koller betonte, dass das heutige regulierte Energiesystem in der Schweiz für die Herausforderungen der Zukunft nicht bereit ist und die nötigen Anpassungen verhindert.

Strommarktliberalisierung - Sprengstoff für Energieversorger und Regulatoren?

Dr. Markus Flatt von EVU Partners betrachtete die Marktöffnung aus der Perspektive der Energieversorger und Regulatoren. Volatile Preise, Kunden, die verstärkt selbst Strom produzieren sowie neue Regulierungen fordern die Versorger schon heute. Neue Geschäftsmodelle sind gefragt. Eine Marktöffnung würde es erlauben, mittels dynamischen Preisen Verbraucherflexibilität für die Stromnetze zu nutzen und teure Marktumgehungslösungen und Fehlanreize verhindern.

Fragerunde mit dem Publikum

In der abschließenden lebhaften Diskussion betonte Regierungspräsident Walter Schönholzer die Bedeutung der regionalen Versorgungssicherheit in einem liberalisierten Markt. Auch bei einer Liberalisierung bleibe die Netzinfrastruktur auf einem guten und sicheren Stand erhalten. Die Experten waren sich einig bei der Frage, wie sich die Angebote und die Strompreise im liberalisierten Markt entwickeln werden: Es gibt ein grosses Potenzial für Innovationen … und es kann nur günstiger werden.

Die Reihe „Herausforderung Energie“ der FDP bestätigte mit dieser bereits 4. Veranstaltung, dass auch komplexe Themen interessierten StimmbürgerInnen sachlich und unpolemisch näher gebracht werden können.